Von Ramazan Kuruyüz
Anhörung der CDU/CSU in Bonn zum Thema Islam in Deutschland. Mit einem
klaren Bekenntnis zum Islamischen Religionsunterricht und zur Integration setzte
die CDU/CSU-Fraktion im Bonner Bundestag neue Zeichen. Erstmals in der
Geschichte der Migration in Deutschland wurde auf politischer Ebene das Thema
Islam mit Vertretern der Muslime diskutiert.
Eine neue, wegweisende Art des Umgangs mit Muslimen wurde am 15. Juni in Bonn
eingeleitet.
In einer Anhörung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor 600 Interessierten zum
Thema "Islam in Deutschland" mit Vertretern des Zentralrats der
Muslime in Deutschland ZMD, des Islamrats von Deutschland IR, des Rats der
Türkischen Staatbürger in Deutschland RT, der Türkisch-Islamischen Union der
Anstalt für Religion (DITIB) und der Kirchen und Experten aus Wissenschaft,
Politik und anderen Ausländerorganisationen hatten die Sprecher der Muslime
Gelegenheit, vor einem Forum interessierter Mandatsträger ihre Vorstellungen zu
Integration, politischer Partizipation, gesellschaftspolitischem Engagement und
migrationsspezifischen Problemen zur Sprache zu bringen.
"Integration ist unser Ziel" war das Thema der
Begrüßungsansprache des Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Schäuble. Dem Islam
komme bei Fragen der Integrationspolitik eine besonders wichtige und bedeutende
Rolle zu. Angestrebt werde weder die Entwicklung einer Parallelgesellschaft noch
die vollständige Assimilation der kulturellen Minderheiten. Wichtig sei jedoch
die "Akzeptanz eines gemeinsamen Grundwertekanons." "Integration
ist eine Aufgabe für alle Beteiligten."
Die Union setze auf eine wirkliche Integration, auf ein echtes gelebtes
Miteinander. Bei richtig verstandener Integration könne es nicht um Fragen der
religiösen Wahrheit gehen oder darum, ob einer Religion mehr Wert und
Richtigkeit zukommt als einer anderen, sagte Schäuble. "Ein Angehöriger
der muslimischen Glaubensgemeinschaft kann selbstverständlich ein vollständig
integrierter Mitbürger sein." Ein Muslim könne genauso als Deutscher
fühlen und handeln, wie ein christlich sozialisierter oder auch ein
nichtgottgläubiger Bürger.
Großen Raum nahm die anschließende Diskussion über die Einführung des
Islamischen Religionsunterrichts (IRU) an öffentlichen Schulen in Deutschland
ein.
Konsens herrschte bei den Podiumsteilnehmern darüber, daß eine Änderung
der bisherigen Praxis notwendig sei. Die Nichtbeachtung der Rechte und
Bedürfnisse der muslimischen Schülerinnen und Schüler könne auf Dauer nur
negative Auswirkungen haben.
Keine Einigkeit konnte gefunden werden über die Verfahrensfragen bei der
Umsetzung. CDU/CSU plädieren wie die Vertreter der beiden christlichen
Großkirchen und die Vertreter der Muslime für die Einführung eines
islamischen Religionsunterrichts, während Vertreter der Herkunftsländer, die
Kultusminister von Bayern und Baden-Württemberg sowie einige
Migrantenorganisationen andere Modelle bevorzugten.
Dr. Nadeem Elyas, Vorsitzender des Zentralrates der Muslime, verwies in
diesem Zusammenhang auf den Antrag des Zentralrates auf Einführung von
Islamischen Religionsunterricht beim Nordrhein-Westfälischen Kultusministerium
aus dem Jahr 1994, der bisher nicht entschieden wurde. Auch die Muslime sehen in
der Einführung eines islamischen Religionsunterrichts auf deutsch eine
wesentliche Voraussetzung zur Integration.
Abzulehnen sei deswegen auch die Einmischung ausländischer Staaten bei der
Organisation dieses Unterrichts.
Die hier lebenden Muslime seien mündige Bürger, denen es um einen Islam in
Deutschland gehe, so Elyas.
Bei der Anhörung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Thema "Islam in
Deutschland" am 15. Juni in Bonn unterstützen die Vertreter der
Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Katholischen Kirche die
Forderung der Muslime nach ordentlichem islamischem Religionsunterricht.
Der Vertreter der Zentralstelle Bildung der Deutschen Bischofskonferenz
Eckhard Nordhofen warnte vor einem "totalitären Relativismus". Die
berechtigte Forderung der Muslime dürfe nicht dafür instrumentalisiert werden,
den Religionsunterricht abzulösen und ein neues religionskundliches Modell
einzuführen.
Thematisiert wurde auch, daß die Konzepte der Islamischen Dachorganisationen
sich in allen Bereichen mit den aufgeführten Vorstellungen der Union decken.
Unterrichtssprache deutsch, in Deutschland ausgebildete Lehrer, staatliche
Schulaufsicht, Ausarbeitung der Lehrpläne nach den Richtlinien der
Schulbehörden und die Akzeptanz der übrigen Rahmenbedingungen stehen an
oberster Stelle auf dem Wunschzettel der islamischen Organisationen in
Nordrhein-Westfalen, in Berlin und in Hessen zum IRU.
Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Staat in allen Bereichen zur
Organisation dieses Unterrichts - wie Lehrerbildung, Lehrplangestaltung , usw.-
ist ebenfalls gegeben. Bisher fehlt jedoch in diesen Bundesländern die
Kooperationsbereitschaft von Seiten des Staates.
Muslimische Beobachter äußerten Kritik darüber, daß das Motto des Forums
genaugenommen nicht Programm war, da mehrheitlich Nicht-Muslime zu Wort kamen.
Einladungen an Ausländervereinigungen, Ausländerbeauftragte,
Bundesausländerbeirat, Institute der ausländerspezifischen Forschungsbereiche,
Kirchenvertreter und an Aktive in der Migrationspolitik könnten nicht darüber
hinwegtäuschen, daß wieder mehr "über" als "mit" den
eigentlich Betroffenen geredet wurde.
Jedoch als Einleitung einer neuen politischen Ära im Umgang mit Minderheiten
wurde diese Anhörung von allen als ein Schritt in die richtige Richtung
ausdrücklich begrüßt. Integration sei für Muslime ebenfalls mehr als ein
Ausweispapier. Integration als Bemühung sich einzufügen unter Wahrung der
kulturellen und religiösen Identität sei für die Mehrheit der Muslime seit
Jahrzehnten gelebte Realität. Benannt wurden Handlungsdefizite von Seiten der
politisch Verantwortlichen in der Vergangenheit. Neben Lippenbekenntnissen
müßten nunmehr verstärkt politische Signale gesetzt werden - und dies könne
jetzt die Einführung des Islamischen Religionsunterricht sein.
"Integration ist machbar" war auch das Resümee des
stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und Initiators des Forums Dr.Jürgen
Rüttgers in seinem Schlußwort. Angstpropaganda gegenüber Muslimen sei nicht
angebracht, sondern ein aufeinander zugehen. "Auch CDU und CSU müssen ihre
Position zu den Alt- und Neubürgern muslimischen Glaubens neu finden",
sagte Rüttgers.
"Integration und Toleranz" sei das Motto der Union.
Er begründete die Position der CDU zum Islamischen Religionsunterricht (IRU)
damit, daß eine Partei, die für den Religionsunterricht als ordentliches
Lehrfach eintrete, sich nicht auf Katholiken und Protestanten beschränken
könne. Freiheit könne nicht ohne Wertbindung existieren. Nur wer sich seiner
eigenen Wurzeln sicher sei, könne die Kraft zu Toleranz und Offenheit
gegenüber anderen Lebensstilen und Überzeugungen aufbringen. Ein
verantwortlich gestalteter islamischer Religionsunterricht an den Schulen, der
Kinder aus islamischen Elternhäusern in ihrer Religiösität stärke, könne
dazu einen wesentlichen Beitrag leisten, ohne sie in die "Arme
fundamentalistischer Strömungen zu treiben," zitierte Rüttgers aus dem
Konzept der Union. Zum Abschluß äußerte Rüttgers den Wunsch, daß dieses
Forum Ausgangspunkt für einen vertieften Dialog zwischen Christlichen
Demokraten und Muslimen in der Zukunft sein möge. Siehe Kommentar